Pferde getreidefrei füttern

Ohne Getreide - geht das?

Denkt man an Pferdefütterung, denkt man im ersten Schritt wohl direkt an Hafer, Heu und Gras. So entsteht auch irgendwie der Irrglaube, dass jedes ‚gute‘ Pferd Hafer oder anderes Getreide bekommen muss. Liest man sich mal durch die Facebookgruppen ein wenig durch, stößt man immer wieder auf zahlreiche Vorurteile und Pauschalisierungen in Sachen Pferdefütterung:

 

Random Pferdehalter A: „Warum gibst du deinem Haflinger überhaupt Hafer? Die sind doch leichtfuttrig!“

Random Pferdehalter B: „Ein Turnierpferd braucht einfach ausreichend Energie!“

Random Pferdehalter C: „Getreide gehört zur Grundversorgung eines Pferdes.“

Random Pferdehalter D: „Tja, selbst schuld, wenn der so abgeht. Den sticht wohl der Hafer!“

Random Pferdehalter E: „Heu macht einen dicken Bauch, deshalb fütter ich lieber mehr Getreide.“

 

 

Dies sind nur einige Beispiele, mit denen sich ein Pferdehalter tagtäglich konfrontiert sieht. Dennoch ist es wirklich immer wieder ein Gedanke wert, das Fütterungskonzept der Pferde bzw. der eigenen Pferde einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. 

Woher stammt die Getreidefütterung?

Die Fütterung von Getreide ist letztlich eine Erfindung des Menschen. Getreide liefert schnell Energie – das ist Fakt. Ungefähr 3000 Jahre vor unserer Zeitrechnung wurde das wild lebende Pferd domestiziert und für menschliche Zwecke eingesetzt – vor allem im Bereich als Zugtier, um große Ladungen von A nach B zu bringen und natürlich im Zuge der Eroberungen. Um auf einem Kriegszug ein Pferd satt zu bekommen, blieb meistens nicht die Zeit und vor allem die Kapazität, um die Pferde ausschließlich mit Raufutter zu versorgen, so wurde zum Getreide gegriffen und schnell war klar, die Pferde sind dadurch leistungsfähiger, was im Kriegsfall natürlich enorme Vorteile mit sich brachte. Auch in der Landwirtschaft waren gute, leistungsfähige und ausdauernde Pferde unentbehrlich – um diese Leistung zu erbringen, blieb meist nur die Getreidefütterung. Das Zauberwort ist ‚Kraftfutter‘. Durch den hohen Stärkegehalt, bringt Getreide schnelle Energie, ähnlich wie bei uns Traubenzucker. Langfristig gesehen, nimmt die Energie nach der Fütterung aber relativ schnell wieder ab.

Wenn das Pferd frei wählen könnte...

Wenn das Pferd frei wählen könnte, würde es im Stall wahrscheinlich die schmackhaftesten Leckereien vor ziehen, auf einer üppigen Wiese hingegen, lässt selbst mein verfressenes Hafipony die Müslischale links liegen. Pferde sind Steppentiere, das ist nun nichts Neues, aber auch, wenn unsere domestizierten Hauspferde schon lange nicht mehr in der Steppe leben, ist ihr Organismus noch bestens daran angepasst und schlichtweg mit ‚unserer‘ Fütterung überfordert. Schaut man sich den Magen/Darm Trakt des Pferdes genauer an, wird man schnell zahlreiche Unterschiede zu unserem Verdauungstrakt feststellen.

 

Das Pferd hat in Relation zu seinem Körper einen enorm kleinen Magen (5 – 15l), dafür aber einen sehr langen Dick- und Dünndarm. Der gesamte Organismus des Pferdes ist auf eine andauernde Nahrungsaufnahme ausgelegt, was mit dem meist praktizierten morgens, mittags, abends füttern nicht wirklich vereinbar ist – schon gar nicht, wenn dann noch Jemand behauptet, das Pferd bräuchte pro Mahlzeit drei Kilogramm ‚Kraftfutter‘ – Viel Platz für Heu, Wasser und Stroh bleibt da leider nicht mehr. Wie im ersten Teil des ‚Futterblogs‘ beschrieben, produziert das Pferd ständig Magensäure. Bei uns Menschen wird die Säure hingegen nur bei Nahrungszufuhr produziert. Steht das Pferd nun die meiste Zeit im Stall oder auf einem Paddock ohne Raufutter, ist die empfindliche Schleimhaut permanent dem aggressiven Magensaft ausgeliefert. Auswirkungen könnten Magenschleimhautentzündungen oder sogar Magengeschwüre sein – aua! Sunny zum Beispiel hat zur Fütterungszeit selbst den Hafer im Trog verschmäht und sich lieber mit großer Freude auf das Heu gestürzt.

 

Interessant ist auch die Tatsache, dass der Pferdemagen sich nicht wie bei uns ausdehnen kann, sondern einfach ein maximales Fassungsvolumen hat. Die Pferde merken leider nicht, wann der Magen voll ist. Wir würden uns nach einer extremen Nahrungszufuhr erbrechen – dies kann ein Pferd bekanntlich aber nicht.  

Wie füttern wir jetzt Sunny?

Sunny ist jetzt schon seit gut drei Monaten auf getreidefrei umgestellt und fast alle Symptome einer Magenproblematik sind verschwunden:

 

  •     Kein Gähnen mehr
  •     Kein Problem mehr mit dem Angurten
  •     Sie ist viel ausgeglichener

 

 

Und dennoch hat Sunny massig genug Energie, um die tägliche Arbeit ohne Einschränkungen zu meistern – um genau zu sein: Sich fühlt sich viel wohler und arbeitet eigentlich sogar deutlich besser mit! Wir haben uns innerhalb der Fütterung auf das Marstall ‚Vito‘ eingestellt, das nicht nur getreidefrei, sondern auch Melasse reduziert ist. Zusätzlich bekommt sie Heu beinahe ad libidum und Mash– Mash ist nämlich ihre große Leidenschaft und dafür würde sie alles tun! Zur zusätzlichen Energiezufuhr kann auch einfach auf qualitativ hochwertiges Öl zurück gegriffen werden. Natürlich ist diese Art der Fütterung etwas kostspieliger, als lediglich Hafer zu füttern, aber wenn man bedenkt, wie viel Geld wir in neue Schabracken und Ausrüstung investieren, dann sollte doch wirklich am Futter überhaupt nicht gespart werden.

Wirklich jetzt??

Letztlich wird man allerdings immer verurteilt: Sei es, wenn man Getreide füttert oder eben auch, wenn man keins füttert. Jedes Pferd geht mit seiner Fütterung anders um und verträgt dieses oder jenes einfach besser. Klar ist, dass die durchschnittlichen Haltungsbedingungen immer noch nicht Pferdegerecht organisiert sind. Die Problematiken, die im Zuge mit der Fütterung auftauchen – seien es Allergien oder Unverträglichkeiten – sind allesamt Wohlstandserkrankungen. Eine gewisse Ration an Kraftfutter ist auch nicht verkehrt und ich will auf keinen Fall Getreide Fütterung verurteilen, aber es muss einfach nach Maß erfolgen. In allen Büchern zum Reitabzeichen findet man einen sehr schönen Lehrsatz, der alle Wichtigkeiten der Fütterung gut zusammen fasst und den sich am besten jeder Pferdehalter einprägen sollte:

 

 

So viel Stärke wie nötig, so viel Raufutter wie möglich. 

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