Mustangs in Deutschland

Der Traum vom Wildpferd - Mustang Makeover kritisch betrachtet

Here I am, this is me. There´s nowhere else on earth I´d rather be, here I Am… Uhh ja, diesen Song kennt wohl jedes Pferdemädchen! Gerade beim summen der Melodie checke ich erstmal schnell, ob ich den Film irgendwo streamen kann…legal natürlich…bei Amazon Video. SPIRIT - Das Wildpferd schlecht hin. Für die realitätsnahe Fraktion gibt es da auch noch Cloud, den wilden Hengst aus den Rocky Mountains, der Spirit optisch irgendwie ähnelt – ist das ein Zufall? Der Mythos Mustang hält sich hartnäckig. Da scheint es irgendwie passend, dass das ‚Mustang Makeover‘ jetzt auch bei uns in Deutschland angekommen ist.

Verfolgt man die Geschichte im Internet ein wenig, stößt man auf diverse Debatten. Auf was auch sonst in der Pferdewelt? Hier ist man sich ja nie einig. Um erstmal auf wissenschaftlichen Stand zu kommen, habe ich etwas recherchiert und mich erst mal über Mustangs, die Population und das Bureau of Land Management (BLM) informiert, das für die Erhaltung und Kontrolle der Mustangs zuständig ist. Fakt ist, es gibt eine festgelegte Höchstgrenze der Population in Amerika. In wieweit das gerechtfertigt ist, kann ich nicht beurteilen, es müssen schließlich auch die übrigen Viehzüchter, Landpächter u.a. berücksichtigt werden. Natürliche Fressfeinde hat der Mustang jedenfalls nicht, außer die paar Berglöwen, die noch nicht abgeknallt wurden.

Wo also hin mit den tausenden Tieren, die über der Populationsgrenze liegen? Im ersten Schritt erstmal einfangen. Das kostet Geld. Das weitere Versorgen der Tiere kostet noch mehr Geld und irgendwann sind ja schließlich auch die abgegrenzten Reservate voll. Also versucht man die Tiere im Ausland unter zu bringen. Kommt nach dem Hype um die spanischen Pferde jetzt auch der Hype um die Mustangs? Tiere, die man in Amerika für weniger als 100$ bekommt, werden hier dann wahrscheinlich für einige tausend Euros versteigert oder verkauft. Das Internet ist mittlerweile überfüllt von Andalusiern und PREs, die noch ein zu Hause suchen. Ich finde die Sache mit dem ‚Tiere ins Ausland vermitteln‘ irgendwie problematisch. Am erschreckendsten fand ich auf der Website den angebotenen Deckhengst. Wenn man die Population dezimieren will und deshalb versucht, die Tiere ins Ausland zu vermitteln, gut und schön, aber warum dann noch dafür werben, in Deutschland mit Mustangs zu züchten.

Eine Überpopulation reicht doch völlig aus! Haben wir hier in Deutschland nicht auch schon genügend gequälte Pferdeseelen, die ein schönes zu Hause suchen und verdienen? Das ist genauso wie mit den Hunden aus Rumänien. Natürlich geht es denen dort schlecht, aber auch die Hunde bei uns in den Tierheimen sind sicherlich nicht besonders glücklich.

Löblich ist es dennoch, sich einem Tier aus schlechter Haltung anzunehmen. Abgesehen von dem Stress, dem die Tiere bei dem Transport ausgesetzt sind, wie soll das Projekt langfristig aussehen? Ich sehe in dem Projekt eher eine Art Event. Tausende Spirit-Mädchen die den Traum vom eigenen Wildpferd träumen und die Pferderetter, die meinen, jedes, wirklich jedes Pferd retten zu müssen.

 

90 Tage Zeit um mit einem Pferd, was eigentlich nichts kennt außer andere Pferde, eine Art Prüfung abzulegen?! Wer legt denn diese verdammten 90 Tage fest? Gibt es einen Sieger? Und woran soll man einen Sieg schlussendlich messen? Jedes Pferd ist doch anders. Die einen lernen schnell und die anderen brauchen viel mehr Zeit. Was, wenn ein Trainer es innerhalb der 90 Tage schafft, dass sein Pferd eine Dressuraufgabe sauber durch läuft und eine anderer Trainer es eben nur schafft, dass sich das Pferd vernünftig führen lässt? Das wäre doch auch schon ein guter Erfolg, aber das wollen die Zuschauen in Aachen sicherlich nicht sehen. Und wenn dann der Mustang Hype erstmal ausgebrochen ist, wer kümmert sich dann hier vor Ort um die Tiere, die später weitervermittelt werden sollen?

Irgendwer muss sich den Tieren ja annehmen, sie einreiten, ausbilden und dann weiter verkaufen – die Wendymädchen sicher nicht. Als Aufmacher ist das Mustang Makeover natürlich sinnvoll, um erstmal Aufmerksamkeit zu bekommen und darüber aufzuklären, worum es eigentlich geht, aber wie soll es dann weiter gehen? Nach ‚Findet Nemo‘ brach der Hype um die Clownfische aus, nach ‚101 Dalmatiner‘ der Hype um Dalmatiner und jetzt kommt der Mustanghype.

 

Ich bin in jeglicher Hinsicht pro Tier und pro Tierrettung – egal ob Mäuse, Spinnen, Schlangen, Hummeln, Pferde, Hunde, Katzen – jedes Tier hat das Recht auf ein gutes Leben. Aber hinter jeder Rettung und jedem Projekt muss eine Intention stehen, ein ‚Plan‘. Was bringt es, wenn 1000 Mustangs, die in den USA kein zu Hause gefunden haben, den langen Transport auf sich nehmen müssen, um schlussendlich hier auch kein zu Hause zu finden und mit denen wohlmöglich noch weiter gezüchtet wird...

 

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