Druck im Reitsport

Druck im Reitsport

Eigentlich ist die Reiterei ein Hobby. Ein Hobby, das wir alle gerne ausüben und was uns alle eigentlich verbinden sollte. ‚Eigentlich‘ – dieses kleine Wörtchen, das mir im Verlauf der letzten Beiträge immer häufiger auffällt und mich begleitet. Eigentlich hätte natürlich jeder gerne eine gute Wertnote, eine Schleife, ein schöneres Pferd mit tolleren Gängen…So können wir unser Pferd entweder als ‚Austauschartikel‘ betrachten und uns immer ein neues kaufen, wenn wir nun gerade Lust haben oder wir boxen uns mit dem einen Pferd durch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(Foto: Keine Schleife, trotzdem glücklich)

Es gibt ja schließlich immer Höhen und Tiefen und letztlich bleibt es doch auch das #onceinalifetimehorse, was wir uns selbst (meistens) ausgesucht haben. Aber darum soll es hier in diesem Beitrag auch eigentlich gar nicht gehen, sondern viel mehr um den enormen Leistungsdruck. Unabhängig davon, wie viele gute Reiter es doch gibt, mit denen wir uns auf den Turnieren messen und somit schon genug Druck von außen erhalten, setzen uns doch meistens viel mehr die Menschen unter Druck, mit denen wir tagtäglich zusammen sind – also unseren Stallmitgliedern, die eigentlich eine Gemeinschaft bilden sollten.

In den Zeiten, wo jetzt aber alles online abläuft, auch die Ergebnislisten der Turniere und teilweise sogar live Übertragungen von den Prüfungen, haben wir irgendwie gar nicht mehr die Chance, LOSGELASSEN zu reiten.

 

Es kann immer mal eine Prüfung daneben gehen oder scheiße laufen. Gerade in einem Stall, wo mehrere Mitglieder aktiv auf Turnieren unterwegs sind, wird es immer Jemanden geben, der entweder schlechter oder besser ist. Wenn nun also eine Prüfung entgegen aller Erwartungen doch schlecht gelaufen ist, dann hab ich eigentlich gar keine Zeit, diese Situation zu verarbeiten, die Prüfung zu reflektieren und zu verstehen, WARUM es nicht geklappt hat. Denn man wird sofort mit zahlreichen Mitteilungen überschüttet ‚Hey, was war los?‘, ‚Na, lief heute wohl mal nicht so gut?!‘ – auch wenn einige Nachrichten gar nicht böse gemeint sind, schwingt doch immer irgendwie ein Hauch Schadenfreude mit. Dann wünscht man sich am liebsten, gar nicht erst gestartet zu sein und verflucht dieses verdammte Internet. Eine schlechte Leistung kann man einfach nicht mehr ‚verstecken‘ – die Krux an der Sache: Man sollte sie erst gar nicht verstecken müssen!

 

 

Am schwierigsten wird diese verfahrene Situation aber überhaupt erst, wenn zwei Stallmitglieder die gleiche Prüfung reiten. Irgendwie mag man sich ja auch und kann sich eigentlich voll gut leiden, aber kaum ist man auf dem Prüfungsplatz, wird sich gegenseitig nichts mehr gegönnt und man hofft ausschließlich nur, besser zu sein. Wo bleibt bei dieser Einstellung aber der Spaß an dem Hobby und den Pferden?

 

Dieses Stalking erhöht den Druck auf jeden einzelnen nur noch mehr und wer so schon kein starkes Nervenkostüm hat, wird doch wohl kaum sein gesamten Leistungspensum ausschöpfen können, wenn es darauf ankommt und so müssen unweigerlich ‚schlechte‘ Ergebnisse daraus resultieren, die uns noch mehr frustrieren. Ich habe mal mit einer Reiterin gesprochen, die keine ‚Angst‘ und kein flaues Gefühl vor dem Turnier hatte, sondern vielmehr davor, wieder zurück zum Stall zu fahren. Weil sie nicht wusste, mit was für Aussagen sie wieder konfrontiert wird, wenn es eben nicht gut läuft.

 

 

Einer reitet und alle gaffen – das hat wohl schon jeder Reiter erlebt, aber das sich an den Fehlern und ‚versagen‘ anderer so aufgegeilt wird, kann ich nicht nachvollziehen und dabei schäme ich mich für diesen eigentlich doch tollen Sport. Warum fehlt denn der Reiternachwuchs? Warum starten in den Reiterwettbewerben, die früher immer total voll waren, nur noch eine Handvoll Kinder? Warum gibt es kaum noch die grandiosen Kostümwettbewerbe, bei denen ich auch noch so gerne mitmachen würde?

 

 

Der Reitsport schafft sich selber ab und dagegen müssen wir was tun.

 

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