Das Fohlen-ABC - Fohlenerziehung

Fohlenerziehung

Die Geburt eines Fohlens mitzuerleben und es vom ersten Tag an zu begleiten, ist wohl eine der schönsten Erfahrungen, die ein Pferdemädchen überhaupt machen kann. Aber auch Fohlen wachsen – und das ziemlich schnell. So mag das anschlabbern an den ersten Tagen noch zuckersüß sein, aber spätestens, wenn die scharfen Milchzähnchen durchbrechen, steht das auf einem ganz anderen Blatt. Dann tut das vermeintliche "anschlabbern" nämlich schon ziemlich weh – ebenso wie das spielerische Ansteigen und Ausschlagen. Besonders letztere sind Eigenschaften, die möglichst von Beginn an unterbunden werden sollten: liebevolle Strenge ist hierbei das Zauberwort. Auf der einen Seite möchte man den Kleinen das Vertrauen zum Menschen ja nicht nehmen und die Bindung stärken, zum anderen muss man aber erziehungstechnisch schon die wichtigsten Grundlagen legen. 

Verschiedene Ansätze

Sucht man im Internet zum Stichwort "Fohlenerziehung" wird man allerhand seriöse und weniger seriöse Anleitungen und Tipps finden. Vorweg ein guter Rat von mir: Hilfe und Tipps sind gerne gesehen, aber bitte alles mit gesundem Pferdemädchenverstand hinterfragen. Nach Ansätzen, bei denen man das Fohlen und die Mutter bis zum Absetzen sich selbst überlässt bis hin zum direkten Training ab dem zweiten Lebenstag mit Halfter, Putzzeug, Strick & Co. ist wirklich alles dabei. Natürlich habe auch ich mir einiges angelesen und Tipps von Freunden geholt, aber auch der Tierarzt hat eine wesentliche Rolle gespielt – vor allem im Bezug auf den Stromzaun. Aber in erster Linie habe ich nach der Frage gehandelt "Was für ein Mensch will ich für das Fohlen sein?". Und diese Frage kann ich ganz klar beantworten: ein Freund. Aber auch in einer Freundschaft gibt es neben Spaß und Liebe eben auch einige Regeln – man muss sich aufeinander verlassen und gegenseitig vertrauen können. 

Imprinting - eine perverse Art der Fohlenunterwerfung

So bin ich zum Beispiel auf das Thema "Imprinting" gestoßen – also quasi "einbrennen". Damit ist aber keinesfalls das Brandzeichen gemeint, sondern eine ziemlich abscheuliche Art der "Erziehung" oder eher "Unterwerfung". Hierbei wird das Fohlen direkt nach der Geburt der Mutter entrissen und der Mensch drückt es nun so lange auf den Boden und verhindert die ersten Aufstehversuche des Fohlens, bis es sich dem Menschen ergeben hat. Vorsicht, es wird noch perverser: Nun berührt der Mensch es am gesamten Körper, aber nicht nur äußerlich, sondern steckt seine Finger auch in alle Körperöffnungen. Wie abscheulich kann man eigentlich sein?

Die ersten Tage nach der Geburt

Die ersten Tage nach der Geburt hatten Alin und Auria erst mal weitestgehend ihre Ruhe. Die Prägephase kann sich bei Pferden durchaus über ein paar Tage strecken, bis die Bindung wirklich so stark ist, dass das Fohlen der Mutter ganz automatisch folgt. Erkennen können sich die beiden natürlich schon wenige Stunden nach der Geburt. Gerade dieses "Folgen" war bei Auria wirklich ein Problem, weil sie ein so lebensfrohes und neugieriges Fohlen ist, dass alles andere interessanter ist und man Mama dann natürlich schnell aus den Augen verliert. "Geführt" haben wir sie nur dahingehend, dass wir sie vorsichtig dirigiert haben – und zwar vor Alin. Das ist tatsächlich ganz normal, dass die Stuten in den ersten Tagen nach der Geburt den Fohlen folgen, erst nach der abgeschlossenen Prägephase wendet sich das Blatt, und die Fohlen folgen der Mutter. Da die kleine noch keinen Kontakt zum Strom haben sollte, aber nun auch noch keine Zäune kannte, waren wir im Prinzip permanent dabei und haben aufgepasst. Wir haben Auria viel gestreichelt und den beiden einfach Gesellschaft geleistet. So hatte Alin auf der einen Seite ihre Ruhe, auf der anderen Seite konnten wir Auria aber auch gleich an unsere Anwesenheit, unseren Geruch und unsere Nähe gewöhnen. Natürlich hat auch jedes Fohlen seinen ganz eigenen Charakter, aber Auria hat Menschen von Anfang an geliebt – sie können ja schließlich an den Stellen kraulen, an die die kleine Fohlennase noch nicht heranreicht. 

Anfassen, Berührung, Putzen

Da Auria vom Moment ihrer Geburt an in Kontakt mit uns war, war es grundsätzlich viel einfacher, sie so richtig an uns zu gewöhnen. Die ersten Wochen sind einfach unglaublich wichtig für die Bindung, den Respekt und das Vertrauen. Sicherlich, wenn man ein Fohlen verkaufen will oder wirtschaftlich züchtet, dann hat man schlichtweg nicht die Zeit, das Fohlen richtig "zu erziehen". Wir werden die Fohlen aber definitiv behalten und dadurch ist es einfach etwas anderes.  So wurde und wird Auria von Anfang an mit Liebe überschüttet, jeden Tag geherzt und geknuddelt.

Halfter

Während das Halfter anlegen und mit einem Strick führen das normalste der Welt ist, gibt es bei Fohlen aber doch einiges zu beachtet. Das Halfter an sich kann man natürlich schon recht früh immer mal wieder anlegen, auf das Führen und etwaigen Druck im Genick sollte man aber definitiv verzichten. Die Halswirbel und das Nackenband sind noch viel zu weich und so könnten empfindliche Strukturen erheblich verletzt werden, wenn zu früh im Fohlenalter Druck auf dem Genick lastet. Da wir Auria schon Geburt an täglich streicheln und kraulen, war das Berühren am Kopf eine Kleinigkeit. Das Halfter an sich war natürlich erst mal etwas gruselig, aber schon am zweiten Tag war es das normalste der Welt für Auria. Zumal das Halfter jetzt bedeutet "es geht raus, wir spielen, es wird lustig". Im Prinzip ist es recht einfach: Man muss einfach alles, was man mit dem Fohlen macht, mit etwas tollem verbinden. So muss es das tollste auf der Welt sein, wenn das Fohlen auf ein Rufen hin kommt, wenn es den Huf hebt oder irgendwas anderes macht, was man möchte.

Hufe geben

Auch das Hufe geben war durch unsere gute Vorarbeit und Bindung zueinander recht einfach. Das wichtigste dabei ist nur, dass man das Fohlen stützen muss. Der Gleichgewichtssinn ist nämlich noch nicht so ausgeprägt, als dass das Fohlen schon auf drei Beinen stehen soll. Und weil wir auf keinen Fall wollen, dass das Fohlen Angst vor uns hat oder das Vertrauen verliert, zum Beispiel weil es beim Hufe geben umgefallen ist, sollte immer mit großer Achtsamkeit an alle neuen Anforderungen herangegangen werden. 

Schrecktraining

Tja, was soll ich sagen? Durch die viele Zeit, die wir mit Auria verbracht haben und jeden Tag verbringen, vertraut sie uns absolut und ist allem Neuen gegenüber offen und schaut sich erst mal alles genau an. Erst dann entscheidet sie: "Uiiii gruselig, lieber weg!" oder "Hmm, gar nicht so schlimm, wie anfangs gedacht." Und meistens entscheidet sie sich für letztere Variante. So stören sie weder große Bagger, direkt neben ihr, Trecker, Autos, Regenschirme, Plastikplanen, Gymnastikbälle, Schubkarren, laute Musik, laufende Kinder, Stangen, Gewitter und eigentlich alle anderen Dinge. 

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