Fohlengeburt

Ein Fohlen wird geboren

Natürlich gibt es einen errechneten Geburtstermin: 11 Monate nach der letzten Bedeckung der Stute. Aber viele Züchter wissen auch, dieser Wert ist nur eine ungefähre Angabe. So hatte Alin eigentlich am 24.04 Termin, das Fohlen kam aber tatsächlich erst am 12.05 - also fast drei Wochen später. Es gibt diverse Gründe, warum die Geburt sich verzögern kann: Zum einen natürlich das Wetter, zum anderen aber auch Faktoren, ob es sich um das erste Fohlen der Stute handelt, wie viel Ruhe die Stute hat und wie gut sich das Fohlen entwickelt. Grundsätzlich ist es nämlich so, dass das Fohlen der Stute "sagt", wann es fertig ausgebildet und lebensfähig ist, erst dann ändert sich der Hormonhaushalt der Stute und die Geburt wird eingeleitet.

Das Euter

Grundsätzlich kann, muss das Euter aber kein ausschlaggebendes Kriterium sein. Normalerweise sagt man, 1 bis 4 Tage vor der Geburt entwickeln sich am Euter der Stute Harztropfen. Das Euter ist zu dem Zeitpunkt schon prall gefüllt. Das ist allerdings nur eine KANN-Richtlinie. Bei Alin zum Beispiel war es nicht der Fall. Das erste Bild des Euters ist vom 11.05. Die Drüsen sind zwar schon ordentlich angeschwollen, aber von Milcheinschuss keine Spur. Bei Instagram habe ich zahlreiche Kommentare bekommen, wie "das dauert noch 2 Wochen so wie das Euter aussieht", aber nichts da. Alin stellt die Ausnahme von der Regel dar: Der Milcheinschuss folgte erst mit der beginnenden Geburt. Natürlich dauert eine Pferdegeburt nicht lange, bei Alin tatsächlich nur ca. 5 Minuten bis die Kleine da war, aber bereits Stunden vorher setzen die Vorwehen und erste Krämpfe ein. Erst mit diesen Voranzeichen erfolgte der Milcheinschuss bei Alin und die Harztropfen haben sich ausgebildet. Das zweite Bild ist vom 12.05. morgens um 8:00 Uhr.

Die Stute wird unruhig und liegt zum ersten Mal - 11.05. 3:00 Uhr

Am 11.05. morgens um 3:00 Uhr und 5:00 Uhr habe ich ganz normal auf die Fohlenkamera geguckt und Alin zum ersten Mal seit Wochen liegen sehen. Der Schweif ist, wie ihr seht, leicht angehoben. Nach den Liegephasen hat sie sich auch immer sehr unruhig im Kreis gedreht. Ein erstes Anzeichen für die eventuell einsetzende Geburt. Den Wecker hatte ich mir schon einige Tage vorher nachts im Stundenrhythmus gestellt, um nichts zu verpassen. Als Alin um 5:00 Uhr morgens dann zum zweiten Mal in dieser Nacht lag, haben wir unsere Sachen zusammen gepackt und sind losgedüst zum Stall. 

Unruhe im Stall verzögert die Geburt - tropfende Milch

In voller Erwartung sind wir also zum Stall "gerast", immer mit Blick auf die Kamera. Der Kamerakauf war übrigens die beste Entscheidung überhaupt, und meiner Meinung nach eine schönere und vor allem bequemere Alternative zum Geburtsmelder, der ja dauerhaft wie ein enganliegender Sattelgurt um den Bauch der Stute geschnallt wird. Mit der Kamera konnten wir alles ganz genau beobachten, ohne die Stute zu stören. Pferde sind Gewohnheitstiere, und Alin hat sich mit 5:00 Uhr morgens wohl nicht die optimalste Zeit ausgesucht. Die Pferde wurden nämlich allmählich munter und unruhig - die Frühstückszeit stand schließlich bevor und der normale, alltägliche Stallbetrieb. So hatte Alin ihre Geburt also auch "vergessen" und hat sich eher auf ihr Frühstück gefreut. Zum Glück herrschte draußen an diesem Tag ein ziemliches Unwetter und die Pferde blieben größtenteils im Stall, so war nicht allzu viel Hektik. Aber die Geburt stellte sich tagsüber nicht ein. Die Scham war zu dieser Zeit bereits sehr stark geschwollen und auch Milch lief bereits aus dem prallen Euter. Ein Zeichen, dass Bedenken groß werden ließ: Ist das so wichtige Kolostrum, durch das die Fohlen ihre Immunabwehr erhalten, bereits abgeflossen? Die Tropfen am Euter waren nämlich nicht mehr gelblich, sondern bereits weiß. Zum Glück war der Tierarzt sowieso im Stall und hat sicherheitshalber einmal alles begutachtet. Schnell wurde die Entscheidung getroffen, "Immunofoal" aus der Praxis zu holen - ein Kolostralersatz, der den Fohlen nach der Geburt verabreicht werden sollte. 

Der IGG-Wert wird in drei verschiedene Zonen geteilt:

 

0 - 400: zu niedrig

400 - 800: okay

800+: wünschenswert

 

Also das Präparat schnell abgeholt, Nuckelfalsche dazu und ab in den Kühlschrank.

Vorwehen und Krämpfe - ab 21:00 Uhr

Den Tag über hatte Alin immer mal wieder Vorwehen und Krämpfe im Bauchbereich. Das hat man erstens gehört, weil sie tatsächlich "gestöhnt" und "gegrunzt" hat, und man hat es zweitens auch deutlich gesehen: der Rücken hat sich schlagartig aufgewölbt, der Bauch in sich zusammen gezogen. Den Schweif hat sich beinahe den ganzen Tag eingezogen und die gesamte Hinterhand war im Prinzip verkrampft. Es war also definitiv klar, dass es wohl losgehen würde, sobald Ruhe im Stall eingekehrt ist. Das tolle war wirklich die Tatsache, dass die übrigen Pferde diesen Tag im Stall verblieben sind. Alin hat zwischendurch immer mal wieder Nähe zu ihrer Boxennachbarin gesucht und sich quasi "angelehnt" – soweit das durch die Trennwand eben möglich ist. Die Box haben wir den Tag über noch mal richtig dick eingestreut, durch das häufige Herumdrehen wurde das Stroh nämlich nach außen getreten. So hatten wir insgesamt aber ein sehr schönes "Bett", bei dem auch die Wände gut abgepolstert sind. Die Box hat übrigens 16 Quadratmeter, was für Alins Größe von 1,51 m sehr gut ausgereicht hat. Bereits nachdem der letzte Reiter den Stall verlassen hatte und die Pferde Abendessen bekommen hatten, wurde Alin vermehrt unruhig. Ab 21:00 Uhr hat sie sich dann ständig im Kreis gedreht, zum Bauch geguckt und gekrampft. Wir konnten ja zum Glück alles aus Entfernung über die Kamera beobachten. So war Alin ungestört und wir hatten trotzdem alles im Blick, um zur Not einschreiten zu können. Ich bin sehr froh darüber, dass wir den Stall gewechselt haben. Was besseres hätte uns einfach nicht passieren können. Die Stallbetreiberin hat in ihrem Leben durch die Arbeit schon etliche hundert Fohlen auf die Welt gebracht und wusste zum Glück ganz genau, was zu tun ist und wie man im Zweifelsfall reagieren muss.

Unruhe - ab 23:00 Uhr

Ab 23:00 Uhr ging es dann richtig los – wie aus einem Buch über die Zucht: Alin hat sich im Kreis gedreht, sehr häufig kleine Mengen Kot abgesetzt, immer wieder zum Bauch geschaut und sich vor allem auch sehr häufig hingelegt und ist wieder aufgestanden. Im Prinzip sind es die gleichen Anzeichen wie bei einer Kolik. Das ist teilweise auch das Fatale, weil man sich nie sicher sein kann, ob die trächtige Stute eventuell tatsächlich eine leichte Kolik hat. Das kann zum Ende der Trächtigkeit durchaus vorkommen. Wer sich also unsicher ist, sollte lieber den Tierarzt kontaktieren und sich absichern. Wir waren nun zum Glück auf der sicheren Seite, da der Tierarzt den Tag über ja bereits da war und einmal prophylaktisch nach Alin geschaut hat. Die Anzeichen waren letztlich auch klare Indizien für die bevorstehende Geburt. Besonders der angehobene Schweif und das häufige Absetzen von Kot sind klare Zeichen für die baldige Geburt. Das Fohlen wird durch die Vorwehen bereits in den Geburtskanal "gedrückt" und drückt deshalb auch vermehrt auf den Darm, was das häufige Äppeln begründet. Kurz vor der Geburt liegt das Fohlen unter der Kruppe der Stute. 

Die Geburt - 23:50 Uhr

Als Alin beim Hinlegen dann auch häufiger auf die Seite gekippt ist, war klar, dass die Geburt nun unmittelbar bevorsteht. Wir haben aber solange vor der Kamera gewartet, bis die Geburtswehen deutlich sichtbar waren. Zu groß wäre das Risiko, die Stute vorher zu stören bevor es nicht wirklich los geht. Wir wussten letztlich ja auch nicht, wie Alin reagieren würde, es ist schließlich ihr erstes Fohlen. Routinierte Stuten sind dahingehend deutlich entspannter. Um 23:55 Uhr sind wir dann in den Stall gegangen und zu diesem Zeitpunkt war die Fruchtblase bereits geplatzt. Alin lag da aber noch etwas dicht an der Boxenwand als die Vorderbeine bereits etwas herausschauten. Zum Glück ist sie noch mal aufgestanden und hat sich eine mittigere Position in der Box gesucht. Schwupp die wupp waren beide Vorderbeine draußen - ein Zeichen, dass das Fohlen schon mal in korrekter Lage liegt. Das war der Moment, als ich nach 10 Minuten Luft anhalten wohl das erste Mal wieder geatmet habe... Als dann auch das Köpfchen zum Vorschein kam und Frau Rittner die Eihaut vorsichtig entfernt hatte und das Signal gab, dass das Fohlen atmet, war uns allen die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Die Emotionen sind mit mir dann auch schon voll durchgegangen und ich habe erstmal geschluchzt vor Freude. Eine letzte Wehe und da lag die Kleine auch schon im Stroh. Alin war ziemlich erschöpft und ist erst mal auf der Seite liegen geblieben, während die kleine Stute bereits angefangen hat zu zappeln. Es dauerte keine drei Minuten, da hat Alin sich aufgerichtet und die kleine blubbernd im Leben begrüßt. So eine sofortige innige Verbindung wie die zwischen Stute und Fohlen ist einfach ergreifend. 

Die Nabelschnur reißt und die Nachgeburt löst sich

Damit Alin ihren Nachwuchs besser begutachten konnte, haben wir die kleine ein Stück zu ihr rumgezogen, allerdings nur so weit, dass die Nabelschnur nicht reißt. Diese hat nämliche eine Sollbruchstelle und sollte unter keinen Umständen durch den Menschen durchtrennt werden. Ein Ruck von Alin und schon war die Nabelschnur ab und das Kleine wurde herzig abgeschleckt. Es ist so faszinierend wie schnell und tief sitzend der Mutterinstinkt einsetzt. Alin hat die Kleine fast aufgefressen vor lauter Liebe. Als Alin dann langsam anstalten zum Aufstehen machte, haben wir das Fohlen sicherheitshalber zur Seite gezogen. Zu groß ist in diesem Moment die Gefahr, dass die Stute eventuell auf ein kleines Beinchen tritt, was nämlich halb unter Stroh begraben lag. Als Alin stand, haben wir die Nachgeburt hochgebunden, damit sie nicht drauf tritt. Ein paar Minuten später nach leichten Krämpfen hat sie diese aber schon verloren und wir konnten sie gleich auf Vollständigkeit überprüfen – das nächste Aufatmen: Die Nachgeburt war vollständig. Dennoch empfehle ich allen, die Nachgeburt für den Tierarzt aufzubewahren, am besten ausgebreitet, damit sie nicht zusammen klebt beim Trocknen. 

Kennenlernen

Das Kennenlernen war dann doch noch mal ziemlich nervenaufreibend. Alin hat nämlich ständig gequietscht und nach vorne hin ausgeschlagen mit den Vorderbeinen, wenn das Fohlen sie berührt hat. In dieser Phase haben wir einfach aufgepasst, dass sie die Kleine nicht trifft und möglicherweise verletzt. Nach 10 Minuten stand das Fohlen bereits auf seinen wackeligen Beinen und hat das Euter gesucht. Beim Ansetzen haben wir noch ein mal geholfen, weil Alin sehr nervös war. Also habe ich vorne Alin gehalten, während Wiebke und Thomas das Fohlen angesetzt haben. Es war für Alin sicherlich auch schmerzhaft, da das Euter wirklich extremst angeschwollen und ziemlich prall war. Zwei-, dreimal haben wir beim Ansetzen geholfen und dann war die Sache auch schon erledigt und wir konnten die beiden getrost alleine lassen – natürlich unter unseren wachsamen Augen über die Kamera :)

Der erste Tag

Der erste Tag gehörte natürlich ganz den beiden – wir haben nur kontrolliert, ob es beiden gut geht und Alin natürlich gefüttert. Das Wetter war an diesem Tag sowieso sehr kalt und regnerisch. Der Tierarzt kam allerdings bereits Mittags zur Fohlenprophylaxe, hat die Nachgeburt begutachtet und Alins Scheide und wir haben dem Fohlen letztlich das Kolostralersatz mit einer Einwegspritze ins Maul gespritzt. Ansonsten hatten die beide gänzlich ihre Ruhe und konnten sich kennenlernen.

Die Geburt in voller Länge

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Kommentare: 1
  • #1

    Lilly H. (Sonntag, 29 Oktober 2023 16:03)

    Ich liebe Pferde.