Wenn Pferde gehen

Pferde gehen. Tagtäglich. Ob von der Weide, aus dem Stall, in einen anderen Stall oder eben aus dem Leben. Und dieser letzte Weg, auf dem wir unsere Lieblinge hoffentlich alle begleiten können, ist wohl der schwerste von allen. Innerhalb der letzten Woche wurde ich mit diesem Thema jetzt so häufig konfrontiert, dass mich diese ganzen Geschehnisse nun doch dazu bewegt haben, meine Gedanken hier einfach mal aufzuschreiben.

 

Was alles passieren kann...

Letztes Wochenende habe ich mit der L-Dressur offiziell die Turniersaison 2017 beendet. In dieser ganzen Saison habe ich schon öfter Pferde gesehen, die sich auf den Turnieren verletzt haben – ob auf dem Abreiteplatz oder im Hänger. Meist waren das allerdings nur kleine Kratzer und nichts wirklich schlimmes. Das erste Ereignis, dass mich ein wenig aus dem Konzept gebracht hat, war bereits im Mai diesen Jahres. Das Pferd stand alleine auf dem Hänger und ist wohl durch irgendetwas in Panik geraten. Das Pferde in den Hängern mal zappeln, hat wohl jeder schon erlebt. Da wird dann auch nicht sofort nachgeschaut, „zumal die Besitzer bestimmt in der Nähe sind“. Pustekuchen. Die waren nicht da. Und als das Rappeln nicht aufgehört hat, haben wir doch mal nachgesehen: Das Pferd hing mit einem Vorderbein über der vorderen Stange und konnte sich aus dieser Lage nicht befreien.

Dazu war vorne auch noch die kleine Tür offen und es versuchte wohl aus Panik irgendwie durch diese winzige Öffnung zu kommen. Mit vereinten Kräften konnten wir die Stange von außen lösen und das Pferd war frei. In den Hänger zu gehen wäre blanker Selbstmord gewesen. 600 Kg in Panik hält kein Mensch und kann auch kein Mensch beruhigen.

 

 

Natürlich kann ein Turniertag mal schnell sechs Stunden dauern und wird langweilig, aber bitte schaut einfach sehr häufig nach euren Tieren. Egal, ob das S Springen nun so spannend ist oder nicht. So schnell kann etwas passieren. Ich finde es grenzt bereits an ein Wunder, dass uns unsere Mäuse so sehr vertrauen, dass sie uns als Fluchttier trotzdem in so einen kleinen Kasten hineinfolgen. Wir haben die Verantwortung für unsere Tiere und sie vertrauen uns.

 

 

Aber auch nicht nur im Hänger können üble Dinge passieren, wie wir letztes Wochenende festgestellt haben: Ein Pferd ist mit einem Eisen an der Einfassung der Hängerklappe hängen geblieben und hat sich aus Panik das Eisen mit voller Wucht abgerissen und damit den Huf extrem verletzt. Es ist so wichtig, immer die kleinen Dinge im Auge zu behalten. Auf- und Abladen immer zu zweit – wie man es gelernt hat. Viel zu schnell nimmt man das angebotene an und verlässt sich darauf, dass alles klappt. Ja, auch wenn eure Pferde seit Jahren alleine auf den Hänger gehen oder auch kerzengerade wieder zurück, es kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren. Ich selbst bin da nicht ausgenommen und ertappe mich immer wieder dabei, Kleinigkeiten zu missachten: Das Halfter zum Beispiel nicht zu schließen, die Box nicht regelmäßig auf Holzsplitter zu untersuchen oder eben das Pferd alleine aufzuladen. Es kostet doch nichts, Jemanden zu fragen, ob er sich mal daneben stellt und einfach darauf achtet, dass das Pferd gerade läuft und es zur Not korrigieren kann. Ich werde mir jetzt zukünftig immer diese zwei Minuten mehr Zeit nehmen. Zwei Minuten, die vielleicht über alles entscheiden können. Nie möchte ich in so eine Situation geraten, in der ich für die Schmerzen meines Pferdes verantwortlich bin.

 

Wir haben nun mal die Möglichkeit, unsere Pferde zu erlösen. Wir können es für sie entscheiden. Und wenn es nicht mehr geht, müssen wir das entscheiden. Nach meist so einer langen, gemeinsamen Zeit sind wir es unseren Pferden einfach schuldig, dass sie nicht leiden müssen, dass wir auf sie aufpassen und dass wir sie bis zum Schluss begleiten.

 

„Gebet eines Pferdes“ – früher hing dieses Plakat in jedem Reitstall. Wenn ich mich jetzt so umschaue, ist es eher eine Seltenheit geworden. Das, was man zum Bestehen des ‚Steckenpferdes‘ braucht, fasst all das Wichtige zusammen, was wir Reiter viel mehr beherzigen sollten.

 

Wir können für sie entscheiden...

Gestern kam nun der nächste große Schock dazu: Zwei Pferde aus unserem Stall mussten eingeschläfert werden. Ob man die Entscheidung hätte früher treffen müssen, dazu will und kann ich mich nicht äußern. Nur eines ist sicher, Alin müsste sich niemals überhaupt quälen. Aber auch mit dieser letzten Entscheidung haben wir noch eine enorme Verantwortung zu tragen. Nicht nur unseren Pferden gegenüber, sondern auch den anderen Einstellern und vor allem den anderen Pferden.

 

In dem ersten Stall in dem ich mit Alin stand, wurde auch selbst geschlachtet – Gänse, Hühner – am Schlachttag waren alle Pferd immer völlig durch den Wind. Auch wenn sie nichts gesehen oder gehört haben, lag einfach dieser Geruch in der Luft, der Geruch, der jedes Fluchttier zum flüchten veranlässt. Nicht nur die Entscheidung zum Erlösen ist essentiell, sondern auch, wie es danach weiter gehen soll. Wo und wann soll das ganze statt finden. Wann kann das Tier abgeholt werden? Wo legt man es am besten ab? Eure Tierärzte werden euch sicher bei diesen Fragen helfen und auch begleiten. Nehmt Hilfe an. Niemand muss und sollte sowas alleine durchstehen. Ein Pony wurde mal erst nach knapp fünf Tagen abgeholt – im Hochsommer. Die Menschen vom Abdeckerdienst machen auch nur ganz normal ihren Job, der auch organisiert werden muss. Das Einschläfern ist schon schlimm genug, aber auch das muss einfach gut organisiert werden. Natürlich gibt es auch Krankheiten oder Unfälle, die ein vorab Organisieren nicht möglich machen, aber in den meisten Fällen ist es möglich.

 

Im Dunkeln haben wir noch die Eisen abziehen müssen, weil Pferde mit Eisen nicht mitgenommen werden. Das Pferd darf nicht überall abgelegt werden wegen des Grundwassers und der Seuchenschutzverordnung. Der Pass muss in der Nähe sein, wenn der Abdecker kommt, die Eisen müssen runter und auch das Halfter ab. Dass der Besitzer für so etwas keinen Kopf hat, versteht sich von selbst. Der Tierarzt sollte das alles aber wissen und euch informieren oder die weiteren Schritte sogar selbst einleiten. Dieses Thema ist scheiße und alles andere als leicht, aber jeder Pferdehalter wird sich eines Tages mit diesem Thema auseinander setzen müssen.

 

Letztendlich lagen beide Pferde im Prinzip vor unseren Außenboxen und wir haben unsere Mäuse kurzfristig nach Innen umgestellt, damit sie die Geschehnisse nicht mitverfolgen müssen.

 

Ich rede mir immer ein, Alin wird bestimmt locker 80 Jahre alt und überlebt mich, aber natürlich weiß ich, dass das nur Wunschdenken und unmöglich ist. Jetzt möchte ich mir darüber auch keine Gedanken machen. Man würde wahrscheinlich verrückt dabei werden, wenn man sich überlegt, was alles passieren könnte. Und da wir wissen, was alles passieren kann, sollten wir möglichst gut Acht geben, dass nichts davon eintritt. Fordert das Schicksal nicht heraus und genießt jede einzelne Minute mit euren Schätzen.

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