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"Sprachkurs - Pferd" von Sharon Wilsie

Den Bestseller aus den USA, "Sprachkurs - Pferd. Pferdesprache lernen in 12 Schritten" von Sharon Wilsie, gibt es nun endlich auch in deutscher Übersetzung. Was mich genau erwartet, konnte ich vor dem Lesen noch gar nicht wirklich beurteilen. Ich hatte auch keine Erwartungen an dieses Buch, aber hätte ich welche gehabt, wären sie auf jeden Fall erfüllt worden. Diese 'Anleitung' hat nichts mit einer Technik, einer Reitweise oder magischem Vodoo zu tun, sondern begründet sich auf der Sprache der Pferde. Dass Pferde unter einander kommunizieren, ist nichts neues und die Grundsätze dieser Sprache lernen wir im Umgang mit Pferden von Anfang an: "Pass bloß auf, der hat die Ohren angelegt", aber Sharon Wilsie geht noch einen Schritt weiter. Sie hat jahrelang das Verhalten von Pferden untersucht und allgemein gültige Kriterien aufgestellt, wie eine bessere Kommunikation zwischen Pferd und Mensch möglich wäre. 

"Sprachkurs - Pferd. Pferdesprache lernen in 12 Schritten" von Sharon Wilsie

KOSMOS Verlag

ISBN: 978-3-440-15858-6

Kaufoption: Sprachkurs Pferd: Pferdesprache lernen in 12 Schritten*

Übersetzungshelfer: Pferd - Mensch

 

Ich muss wirklich sagen, dass ich zunächst nicht wirklich überzeugt war: Wieder ein Pferdekommunikationsbuch, dass uns Reitern suggeriert, wir würden alles falsch machen, reiten wäre unnatürlich und die Haltung sowieso. Aber dieses Buch legt es gar nicht darauf an, eine 'richtige' Machs-besser Anleitung dar zu stellen. Es hilft viel eher, unsere Pferde noch besser zu verstehen und deuten zu können. Hier werden keine Reit- oder Trainingstipps gegeben, dieses Buch bzw. die Autorin möchte alle Menschen ansprechen, die mit Pferden leben, arbeiten oder trainieren. Es zielt darauf ab, die Verbindung zwischen Mensch und Pferd zu verbessern und das geht nur, wenn wir endlich anfangen, mehr auf unsere Pferde zu achten und ihnen zuhören. Wilsie sensibilisiert für das bessere Verständnis des Pferdes. Alles, was unsere Pferde tun, hat eine Bedeutung. Selbst wenn sie anscheinend völlig frei mit Artgenossen auf der Wiese rum tollen - damit stärken sie ihr Wohlbefinden und ihre Herdenverbundeneheit, die letztlich das Überleben sichert. Auch wenn unsere heutigen domestizierten Pferde keine Angriffe von Raubkatzen mehr fürchten müssen, trotzdem ist das "pferdisch" tief in ihrem Erbgut verankert und sie kommunizieren immer noch, wie früher.  

Wilsie stellt in ihrem Buch 12 Schritte vor, die die Kommunikation zwischen Pferd und Mensch verbessern sollen. Angefangen bei ganz einfachen Lektionen, die für uns eigentlich selbstverständlich sind: Zum Beispiel die Begrüßung - die gehört einfach zum höflichen und guten Umgang miteinander. Ich persönlich bin immer schon leicht genervt, wenn mir Jemand nicht mal vernünftig 'hallo' sagt, aber trotzdem direkt was von mir will. So geht es unseren Pferden auch, wenn wir zum Beispiel in Eile von der Arbeit kommen und nur schnell reiten wollen. Nehmen wir uns nicht mal Zeit, um es zu begrüßen oder wenigstens kurz 'Small-Talk' zu halten, sondern nur schnell Sattel drauf und los gehts. Dass es dann an manchen Tagen zu einem gewissen Zwiespalt kommt, steht wohl außer Frage. Wilsie versucht die Leser für die Körpersprache des Pferdes zu sensibilisieren, das fängt natürlich in erster Linie am Gesichtsausdruck an, allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass Pferde mit ihrem ganzen Körper kommunizieren, deshalb ist auch unsere Körpersprache so wichtig für die Kommunikation. Ähnlich wie bei Hund und Katze, die sich eigentlich nur wegen der Missverständnisse des Schnurrens, Knurrens und Schwanz wedelns ergeben.  

Auch wir haben mal einen schlechten Tag und können uns nicht wirklich motivieren, so kann es auch unseren Pferden mal gehen. Meistens merken wir das allerdings viel zu spät, nämlich erst dann, wenn man sich schon 'gestritten' hat. Nach Wilsie könnten so viele Missverständnisse vorgebeugt werden, wenn wir nun im Ansatz versuchen, unseren Pferden besser zuzuhören bzw. sie besser zu beobachten. 

Gerade wo ich jetzt so viel Bodenarbeit mache, fällt mir immer wieder auf, wie wichtig die Körpersprache ist und ich ertappe mich selbst, mich Alin anzupassen bzw. feinfühliger auf ihre Reaktionen zu reagieren. 

 

Die Lektion, die ich mir auf jeden Fall aus dieser Lektüre mitnehmen werde ist, dass Pferde immer 'Ruhe' anstreben. Damit ist nicht die Ruhe im Sinne von schlafen oder ausruhen gemeint, sondern die Zufriedenheit, die Ruhe in der Herde, ohne Stress und Druck - das friedliche Miteinander. Natürlich gibt es auch mal Zankereien, aber wenn Pferde wirklich ausreichend Platz haben, wird eine Keilerei meist nur einige Augenblicke dauern, weil das schwächere Pferd ausweichen wird. Und eben diese Ruhe müssen oder vielmehr sollen wir Menschen auch anstreben: Wenn ich ganz hektisch und gestresst in den Stall komme, kann ich doch von meinem Pferd nicht verlangen, dass es mir einfach so auf den Hänger folgt oder besser noch alleine rein geht. Im Umgang mit unseren Pferden müssen wir die Ruhe und das Selbstbewusstsein ausstrahlen, dass wir gerne von unseren Pferden zurück bekommen würden und sie uns somit als Herdenmitglied und in gewisser Maßen als Leitmensch akzeptieren und gerne mit uns zusammen sind.  

"Freiraum lassen" ist auch ein sehr wichtiger Punkt, der mir in diesem Buch wirklich gut gefallen hat. Wie wir auch einen bestimmten unsichtbaren Wohlfühlkreis um uns haben, so haben unsere Pferde auch einen. Wenn ich mir vorstelle, ein mir Unbekannter würde einfach so in meinen Wohlfühlkreis eindringen, ich würde wohl ziemlich auf Abwehrhaltung gehen und zurück weichen. So, wie wir diesen Radius um uns brauchen, brauchen ihn auch unsere Pferde. Auch, wenn wir unser Herzenspferd gefunden haben, auf das wir uns immer verlassen können, so kann dieses auch mal einen schlechten Tag haben und hat nun mal keine Lust zum Kuscheln. Das müssen wir einfach akzeptieren und diesen Freiraum gewähren.

Da Pferde nur mit einem begrenzten Repertoire oraler Sprache kommunizieren können, liegt der Schwerpunkt der Pferdesprache auf dem Verhalten des Körpers und der gegenseitigen Berührung an bestimmten Stellen. Sharon Wilsie nennt diese Stellen 'Buttons' und hat sie am Pferdekörper lokalisiert. Ich habe natürlich gleich ein paar der Buttons ausprobiert und ich bin echt überrascht, was es für eine Wirkung erzielt: Allein schon zum Rumschieben der Hinterhand, wenn ein anderes Pferd vorbei geführt wird, habe ich bisher immer 'irgendwo' gedrückt, allerdings gibt es wirklich Punkte und bestimmte Stellen, an denen die Pferde entscheidend besser darauf reagieren, als an anderen Stellen.

 

Ich finde das Buch wirklich super interessant und unterhaltsam zu lesen. Auch, wenn ich nicht alle Kapitel nachvollziehen kann (vor allem nicht das Reitkapitel), kann man doch einiges für den alltäglichen Umgang, die Bodenarbeit usw. mit nehmen und daraus lernen: Die wichtigste Pointe ist wohl, dass wir unseren Pferden endlich mal zuhören müssen, wenn sie etwas erzählen...

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